Etiam Romae, (semper) civis bavaricus ero
The man formerly known as Kardinal Ratzinger beehrt das Bayernländle mit einem segnenden Besuch. Und diese Tatsache ist noch präsenter als die WM, auch wenn man es gar nicht für möglich hielt. Seit Wochen schon berichtet die hiesige Presse von nichts anderem mehr.
Ist das der Rhythmus, wo ich mit muss? „Wir wollten das nicht so durchstylen wie bei der Produktwerbung“, sagte vor ein paar Wochen der Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats Winfried Röhmel. Das ist den drei Veranstaltern des Papstbesuchs, den Diözesen München, Regensburg und Passau, auch gelungen. Eine gute Entscheidung, nicht die Dienste einer Event-Agentur in Anspruch zu nehmen. Denn wie hätte das dann ausgesehen? Auch ganz ohne „professionelle“ PR von außen ist die Werbung für „Benne“ kaum dezent geworden: Geht man Geld holen, grinst einem der Papst vom offiziellen Plakatmotiv aus dem Automaten heraus an. Man kann keinen friedlichen Sonntagsspaziergang mehr machen, der nicht an einer der mehreren hundert Sparkassen-Filialen in München und Umgebung vorbeiführt, die ihre Fensterfassaden reichlich mit „Benne“ plakatiert haben. Den Werbespruch für den Papstbesuch hätte man sich auch sparen können: „Wer glaubt, ist nie allein“ – Ob man nun glaubt oder nicht, ohne IHN ist man hier in den letzten Tagen sowieso nicht. Ein Überwachungs-Hubschrauber dreht jetzt schon seine Runden über der bayrischen Hauptstadt, und die Gullydeckel wurden auch schon inklusive entsprechender Ankündigung vor Wochen versiegelt, hier und da bereits Absperrgitter deponiert. In den MVV-Mitteilungen wurde man schon freundlich informiert, dass man die Tickets für den Nahverkehr zum Papstbesuch am besten vorher kaufen sollte. Die Zeitungen überschlagen sich mit Statistiken, wie viele freiwillige Helfer die katholische Kirche einsetzt, wie viele TV-Übertragungswagen aus aller Welt wo wie Platz finden, wie viele JournalistInnen betreut werden müssen und wie professionell dies bereits im Vorfeld abläuft, dass T-Systems die ganze Technik und die Sender sponsert und dazu die Funknetze aufbaut, wie viele Polizisten wo im Einsatz sind, welche Abstufungen von Flugeinschränkungen es von Seiten des Innenministeriums gibt, wie viele Sanitäter und Feuerwehrmänner im Einsatz sein werden und wie viele Helferstunden im Vergleich zum WM-Einsatz in Bayern das alles macht.
Die ausschließlich positive Ausrichtung dieses Hypes macht mir Angst. Als käme es niemandem in den Sinn, dass man die Stadt vielleicht angesichts dieses Trubels lieber großräumig meiden sollte.
Die Krönung des Rankings ist aber die Information, wie viele von „Benne“ gesegnete Kreuzanhänger für die Katholische Jugendfürsorge verkauft werden. Von der Stadtsparkasse München. Einer öffentlichen Institution. Im Rahmen der Foto-Ausstellung „Mit den Augen des Heiligen Vaters Benedikt XVI. – was er sah, was ihn prägte“ kann jeder Besucher Wünsche für den Papst in ein Buch eintragen – und einen Kreuzanhänger kaufen.
Thomas Niederbühl von der Rosa Liste und Lydia Dietrich von Bündnis 90/Die Grünen hatten Anfang August an den Oberbürgermeister eine Anfrage gestellt, ob diese Aktion der Stadtsparkasse nicht gegen deren weltanschaulich-religiöse Neutralitätspflicht verstoße. Oberbürgermeister Christian Ude reagierte säuerlich und machte den Anfragenden daraufhin seinerseits den Vorwurf, die katholische Kirche aus der Stadtgesellschaft ausgrenzen zu wollen und das Oberhaupt der Weltkirche zur unerwünschten Person zu erklären.
Ja, ist denn „Benne“, der frühere „Panzerkardinal“ und „Großinquisitor“, um nur zwei seiner Attribute aus der Kardinalszeit zu nennen, jetzt nur noch geachtet und nicht mehr gefürchtet? Und dürfen diejenigen, die ihn bzw. sein Umschwenken doch wenigstens merkwürdig finden, nicht mehr ihr Recht auf freie Meinungsäußerung gebrauchen?
Abseits dsr Sparkassen-Kreuz-Verkaufs gab es nämlich schon einen anderen Papst-Eklat im Rahmen des 27. Münchner CSDs vor vier Wochen. Die Macher vom schwullesbischen Szenemagazin „Sergej“ und die Inhaber des ehemaligen Fassbinder-Stammlokals „Deutsche Eiche“ hatte einen Wagen als Papamobil in die Parade geschickt, auf dem eine Papstpuppe mit Regenbogen-Haaren und Kondomen über den Fingern gezeigt wurde. Ein guter rechtschaffender Münchner Bürger rief die Polizei, die den Vorwurf der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts sofort prüfte und daraufhin den Wagen aus dem Verkehr zog. Die Papamobil-Initiatoren wurden inzwischen angezeigt.
Gesellschaftskritische Anmerkungen zu Bushs Politik sind also erlaubt, wenn nicht sogar im Sinne einer Political Correctness très chic, welche zur Politik des Vatikans nicht.
Und damit keine weiteren selbst ernannten Aktivisten auf komische Ideen kommen, hat Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer letzte Woche schon mal vorsorglich angekündigt, wo’s am Samstag und Sonntag langgehen wird: „Wir dulden keine Beleidigungen Benedikts XVI. und werden rigoros durchgreifen.“ Da sollten sich die Leute vom „Freidenkerverband“ vielleicht schon mal warm anziehen. Die wollen zum Besuch Kondome verteilen, mit denen sie fragen „Wer verhütet, dass der Papst Aids verbreiten hilft?“ Und diejenigen, die die Weihwasserspritze als künstlerischen Protest in Regensburg in Umlauf bringen wollen, sowieso. Jeglicher Heiden-Spaß soll in Bayern unterdrückt werden.
1982 hatte Bayern Kardinal Joseph Ratzinger, den Papst Johannes Paul II. als Präfekt der Glaubenskongregation zu sich nach Rom rief, mit großem Tamtam verabschiedet. So richtig mit Pontifikalamt, Gebirgsschützen (denen Ratzinger angehört) und Fahnen und Patrona Bavariae an der Mariensäule und so. Und der damalige bayrische MP Franz-Josef Strauß hatte ihm zugerufen: „Etiam Romae, semper civis bavaricus ero“ – Einmal Bayer, immer Bayer, obwohl jetzt auch Römer. Wenn das so ist, dann wird dieser vorübergehende Eintrag „Wohnort München“ in meinem Pass wohl zu einem lebenslangen, unangenehmen Stigma für mich werden.
Oder wie prinz_pikkolo am 06. Juli auf jetzt.de schrieb: „Wir sind Papst. Ich will aber lieber weiterhin Deutschland sein und Weltmeister werden! Daher habe ich mir ein Transparent gebastelt, mit dem ich mich (…) vor das Olympiastadion stellen werde: ‚TAUSCHE PAPST GEGEN WM-TITEL!’“ Er würde übrigens auch noch ein paar doppelte Panini-Bilder draufpacken.
Ist das der Rhythmus, wo ich mit muss? „Wir wollten das nicht so durchstylen wie bei der Produktwerbung“, sagte vor ein paar Wochen der Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats Winfried Röhmel. Das ist den drei Veranstaltern des Papstbesuchs, den Diözesen München, Regensburg und Passau, auch gelungen. Eine gute Entscheidung, nicht die Dienste einer Event-Agentur in Anspruch zu nehmen. Denn wie hätte das dann ausgesehen? Auch ganz ohne „professionelle“ PR von außen ist die Werbung für „Benne“ kaum dezent geworden: Geht man Geld holen, grinst einem der Papst vom offiziellen Plakatmotiv aus dem Automaten heraus an. Man kann keinen friedlichen Sonntagsspaziergang mehr machen, der nicht an einer der mehreren hundert Sparkassen-Filialen in München und Umgebung vorbeiführt, die ihre Fensterfassaden reichlich mit „Benne“ plakatiert haben. Den Werbespruch für den Papstbesuch hätte man sich auch sparen können: „Wer glaubt, ist nie allein“ – Ob man nun glaubt oder nicht, ohne IHN ist man hier in den letzten Tagen sowieso nicht. Ein Überwachungs-Hubschrauber dreht jetzt schon seine Runden über der bayrischen Hauptstadt, und die Gullydeckel wurden auch schon inklusive entsprechender Ankündigung vor Wochen versiegelt, hier und da bereits Absperrgitter deponiert. In den MVV-Mitteilungen wurde man schon freundlich informiert, dass man die Tickets für den Nahverkehr zum Papstbesuch am besten vorher kaufen sollte. Die Zeitungen überschlagen sich mit Statistiken, wie viele freiwillige Helfer die katholische Kirche einsetzt, wie viele TV-Übertragungswagen aus aller Welt wo wie Platz finden, wie viele JournalistInnen betreut werden müssen und wie professionell dies bereits im Vorfeld abläuft, dass T-Systems die ganze Technik und die Sender sponsert und dazu die Funknetze aufbaut, wie viele Polizisten wo im Einsatz sind, welche Abstufungen von Flugeinschränkungen es von Seiten des Innenministeriums gibt, wie viele Sanitäter und Feuerwehrmänner im Einsatz sein werden und wie viele Helferstunden im Vergleich zum WM-Einsatz in Bayern das alles macht.
Die ausschließlich positive Ausrichtung dieses Hypes macht mir Angst. Als käme es niemandem in den Sinn, dass man die Stadt vielleicht angesichts dieses Trubels lieber großräumig meiden sollte.
Die Krönung des Rankings ist aber die Information, wie viele von „Benne“ gesegnete Kreuzanhänger für die Katholische Jugendfürsorge verkauft werden. Von der Stadtsparkasse München. Einer öffentlichen Institution. Im Rahmen der Foto-Ausstellung „Mit den Augen des Heiligen Vaters Benedikt XVI. – was er sah, was ihn prägte“ kann jeder Besucher Wünsche für den Papst in ein Buch eintragen – und einen Kreuzanhänger kaufen.
Thomas Niederbühl von der Rosa Liste und Lydia Dietrich von Bündnis 90/Die Grünen hatten Anfang August an den Oberbürgermeister eine Anfrage gestellt, ob diese Aktion der Stadtsparkasse nicht gegen deren weltanschaulich-religiöse Neutralitätspflicht verstoße. Oberbürgermeister Christian Ude reagierte säuerlich und machte den Anfragenden daraufhin seinerseits den Vorwurf, die katholische Kirche aus der Stadtgesellschaft ausgrenzen zu wollen und das Oberhaupt der Weltkirche zur unerwünschten Person zu erklären.
Ja, ist denn „Benne“, der frühere „Panzerkardinal“ und „Großinquisitor“, um nur zwei seiner Attribute aus der Kardinalszeit zu nennen, jetzt nur noch geachtet und nicht mehr gefürchtet? Und dürfen diejenigen, die ihn bzw. sein Umschwenken doch wenigstens merkwürdig finden, nicht mehr ihr Recht auf freie Meinungsäußerung gebrauchen?

Gesellschaftskritische Anmerkungen zu Bushs Politik sind also erlaubt, wenn nicht sogar im Sinne einer Political Correctness très chic, welche zur Politik des Vatikans nicht.
Und damit keine weiteren selbst ernannten Aktivisten auf komische Ideen kommen, hat Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer letzte Woche schon mal vorsorglich angekündigt, wo’s am Samstag und Sonntag langgehen wird: „Wir dulden keine Beleidigungen Benedikts XVI. und werden rigoros durchgreifen.“ Da sollten sich die Leute vom „Freidenkerverband“ vielleicht schon mal warm anziehen. Die wollen zum Besuch Kondome verteilen, mit denen sie fragen „Wer verhütet, dass der Papst Aids verbreiten hilft?“ Und diejenigen, die die Weihwasserspritze als künstlerischen Protest in Regensburg in Umlauf bringen wollen, sowieso. Jeglicher Heiden-Spaß soll in Bayern unterdrückt werden.
1982 hatte Bayern Kardinal Joseph Ratzinger, den Papst Johannes Paul II. als Präfekt der Glaubenskongregation zu sich nach Rom rief, mit großem Tamtam verabschiedet. So richtig mit Pontifikalamt, Gebirgsschützen (denen Ratzinger angehört) und Fahnen und Patrona Bavariae an der Mariensäule und so. Und der damalige bayrische MP Franz-Josef Strauß hatte ihm zugerufen: „Etiam Romae, semper civis bavaricus ero“ – Einmal Bayer, immer Bayer, obwohl jetzt auch Römer. Wenn das so ist, dann wird dieser vorübergehende Eintrag „Wohnort München“ in meinem Pass wohl zu einem lebenslangen, unangenehmen Stigma für mich werden.

newreads - 3. Sep, 19:59