Damit es "Plopp!" macht...

solltet Ihr mal wieder...

... Hörspiele hören. Am besten freie.


Und es hat Plopp! gemacht

Empfänger gibt es schon, Sender werden zum Teil noch gesucht: Ganz nebenbei hat sich eine ernst zu nehmende freie Szene für Hörspiele etabliert. Die Zusammenarbeit mit Rundfunkanstalten kommt durch gemeinsame Hörspielpreise voran. Eine Anthologie sammelt jetzt wichtige neue Produktionen.

VON KERSTIN FRITZSCHE

Die Ankündigung eines Konzerts im Rundfunk. Urplötzlich platzt diese "Märchen-Tante" herein und fordert mehr Programmplätze für Kinder. Jetzt gleich. Ein Albtraum für den Hörfunkmoderator, der sich seine Sätze zurechtgelegt und den Finger schon über dem Knopf der Musikautomation schweben hat. "Aber entschuldigen Sie, gnädige Frau, wir können doch jetzt nicht die Gesamtlinie des Funkspruchprogramms ändern!", entgegnet er. Im Folgenden wird aber nicht nur das "Funkspruchprogramm" bedroht, sondern die gesamte Weltordnung. Und alles nur wegen eines Streits um die größtmögliche Freiheit der Öffentlichkeit!

So beginnt "Zauberei auf dem Sender" von Hans Flesch, das im Oktober 1924 als erstes Hörspiel im deutschen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Von Beginn an ist das Genre Hörspiel nie in der Sparte Literatur gelandet, sondern aufgrund seiner hohen Technikaffinität eng mit dem Radio verbandelt - wie "Zauberei auf dem Sender" schon im Titel offenbart. Mittlerweile tummeln sich neben klassischen Hörspielen und O-Ton-Collagen auch Dokumentarstücke, Krimis, Kurzhörspiele und Klangkunst auf den entsprechenden Plätzen der Radiosender. Neben den ARD-Sendern und der Deutschen Welle produziert allein das DeutschlandRadio Kultur als einer der größten deutschen Hörspielproduzenten 36.000 Sendeminuten auf sieben verschiedenen Sendeplätzen jährlich.

Seit zwei, drei Jahren ist das Hörspiel aus dieser Domäne ausgebrochen. Durch ein Netz von Festivals, Wettbewerben und Preisen erschließt es sich zudem ein vorwiegend junges Publikum. Mancher, der in seiner Kindheit mit den "Drei ???" Fälle löste oder mit John Sinclair auf Geisterjagd ging, verlängert mit diesen Figuren seiner Kindheit die Adoleszenz bereits bei coolen Club-Hörspielabenden. Allerdings braucht es nicht mehr unbedingt Justus Jonas und Co, auch bis dato unbekannte HeldInnen erobern zunehmend das Genre. Auf der Leipziger Buchmesse etwa konnte man sich bereits zum dritten Mal in der Hörspieljurte des Leipziger Hörspielsommers niederlassen. Zudem gibt es den Hörspielpreis der Leipziger Buchmesse: Der Gewinner nimmt automatisch am Wettbewerb des Hörspielsommer-Festivals in Leipzig teil, das jährlich im Juli stattfindet - also nicht vor dem Radio, sondern im grünen Gras mit Sonne unter freiem Himmel.

Eigentlich seltsam, dass diese Marktlücke so lange existiert hat, findet Hörspielsommer-Initiatorin Sophia Littkopf: "Ich habe als Kind viel Hörspiele gehört. Ich glaube, im Osten hat man sowieso mehr Hörspiele gehört als im Westen und weniger Fernsehen geschaut. Dann habe ich aber entdeckt, dass sich doch erstaunlich viele Erwachsene für Hörspiele oder gut vertonte Hörbücher interessieren, und mir überlegt: Wenn es für alles ein Festival gibt, warum dann nicht auch für Hörspiele?"

Mittlerweile ist der Leipziger Hörspielsommer neben der Plopp! genannten Veranstaltung in Berlin der wichtigste Wettbewerb für die freie Hörspielszene. Es kommt schon öfter vor, dass durch die Festivals und Preise einer der öffentlich-rechtlichen Radiosender aufmerksam wird und das eine oder andere Gewinnerstück ausstrahlt. Dann gibt's auch einigermaßen Geld. Sonst ist Hörspielmachen wie so vieles in der freien Kulturszene erst mal "Liebhaberei", sagt Claes Neuefeind, derzeit einer der erfolgreichsten freien Hörspielmacher. Der Darmstädter gewann 2005 in Leipzig und hat schon einige Hörspiele veröffentlicht. Von Konkurrenz zu den etablierten Radiosendern, die ihre Hörspiele selbst konzipieren und produzieren, kann deswegen noch keine Rede sein. Aber "natürlich möchte jeder, der in der freien Szene so vor sich hin tüftelt, auch gerne mal sein Stück bei einem großen Sender unterbringen", sagt Neuefeind.

Dass das lukrativ sein kann, zeigt das Beispiel des Hamburger mairisch Verlags. Inhaber Blanka Stolz, Peter Reichenbach und Daniel Beskos entstammen der Poetry-Slam-Szene und treten bereits seit ihrer Schulzeit als Literaturveranstalter in Erscheinung. 2001 produzierten die gebürtigen Hessen ihr Hörspiel "W-Ort", mit dem sie sogleich im Finale des Plopp! standen und den 1. Hörspielsommer-Nachwuchspreis 2003 gewannen. Daraufhin wurde "W-Ort" von einigen öffentlichen und freien Radios gesendet, und der Erlös der Ausstrahlungen wiederum stellte das Startkapital für die Verlagsgründung dar.

Weil sie wissen, dass nicht jeder Newcomer solches Glück hat, möchten sie mairisch als Deutschlands ersten Verlag für freie Hörspiele etablieren. Denn "Hörbücher machen ja viele, aber Hörspiele verlegt keiner", sagt Daniel Beskos. Das mairisch-Trio sieht Bedarf: "Es gibt 250 bis 300 Tüftler im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, die sich dem Genre widmen, dazu kommen vielleicht noch 100 JournalistInnen. Wenn wir erst mal nur die Hälfte erreichen, ist das schon viel."

Claes Neuefeind haben sie schon erreicht - oder er sie: Seine Hörspiele "Der Schrei" und "tonbänder" sind bereits bei mairisch veröffentlicht. Beskos, Stolz und Reichenbach nehmen das Verlegerdasein ernst und wollen irgendwann einmal Geld damit verdienen. Zusammen mit Plopp! und dem Leipziger Hörspielsommer hat der junge Verlag im Frühjahr den Wettbewerb pressplay ausgeschrieben, für den freie Hörspiele eingesandt werden konnten. Die 20 besten sind gerade in einer Anthologie erschienen, die auch "pressplay" heißt. Auch hier geht es quer durch alle Genres - bis hin zu Soundscapes, Features und Rhythmus-Freispielen. Die Auswahl überrascht nicht wirklich; viele Leipziger und Berliner Preisträger seit 2000 sind dabei sowie Leute aus verwandten Subkulturen wie "Surfpoet" Robert Weber oder die Hannoveraner Theaterschaffenden Nicola Bongard und Jan Exner mit "Café Bambi", das dieses Jahr in Leipzig gewann und einst als Toninstallation im Rahmen eines größeren Kulturprojekts der freien Szene in Niedersachsen entstand.

Inhaltlich gibt es einige überstrapazierte Themen, etwa Geschichten über Großstadtsingles oder die Liebe. Es findet sich aber auch Überraschendes: zum Beispiel die O-Ton-Collage "Linda im Kopf" von Stella Luncke und Josef Maria Schäfers über ein rätselhaftes omnipräsentes Graffito in Berlin-Friedrichshain, das es wirklich gegeben hat und dessen Hintergrund das Stück nachspürt. Es gibt eine verstörende Variation über Kontrollverlust und Stagnation, gleich zwei Stücke über die Tücken der Telekommunikation und fantastische Geschichten, die sich auf den Spuren des 1938er Utopieklassikers "Krieg der Welten" von George Orwell bewegen.

Die Szene ist, das verdeutlicht auch diese Anthologie, recht überschaubar. Trotzdem: "pressplay" ist der Versuch eines ernst zu nehmenden Lauschangriffs. Die öffentlich-rechtlichen Radiosender sehen derweil in den Strukturbemühungen der freien Szene keine Konkurrenz. "Letztes Jahr haben wir Plopp! mit ausgerichtet und senden die Preisträger regelmäßig", so etwa Ulrike Brinkmann und Barbara Gerland, Hörspiel-Redakteurinnen beim DeutschlandRadio Kultur. "Wir sehen nur Probleme, wenn Billigproduktionen den Markt überschwemmen. Wo Gleiches draufsteht, ist nicht immer Gleiches drin."

Hörspielsommer-Initiatorin Sophia Littkopf seufzt angesichts solcher Aussagen: "Das freie Hörspiel erreicht bei weitem noch nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient. Ich würde mir wünschen, dass die Öffentlich-Rechtlichen den semi- und nichtprofessionellen Hörspielmachern mehr Sendezeit einräumen." Auch Daniel Beskos, der seit der Arbeit an "pressplay" die Programmplätze der Öffentlich- Rechtlichen noch genauer anschaut, stellt fest, "dass in den ARD-Sendern die freie Hörspielszene nur wenig stattfindet. Aber die Gründe dafür sind nicht unbedingt in einer Überheblichkeit oder Ablehnung vonseiten der ARD-RedakteurInnen zu sehen. Die sind sogar zum größten Teil sehr interessiert, nur haben sie es schwer, in den ausgebuchten Terminplan der sendereigenen Produktionen noch freie einzuschieben."

Die freien HörspielmacherInnen wollen also keinesfalls einen Graben zwischen sich und den ARD-Anstalten ziehen. Das Gemeinschaftserlebnis Hörspiel, wie man es in Leipzig und Berlin erleben kann, bedient sich sowieso klassischer subkultureller Praktiken und Rezeptionsformen und nährt daraus seinen Kultcharakter. Das etablierte Radio kann da nicht voll mitziehen, auch wenn mit den ARD-Hörspieltagen ein Festival kreiert wurde, das sich in diesem Jahr sogar erstmals mit einem Wettbewerb freien Produktionen widmet und als Preis ein Produktionsstipendium für ein Hörspiel beim Hörspieltage-Veranstalter, in diesem Jahr dem SWR, auslobte.

"Damit wollen wir der freien Szene aber nicht die Butter vom Brot nehmen", beteuert Georg Brandl von SWR2. "Alle ARD-Anstalten haben sich gemeinsam überlegt, wie sie der freien Szene ein Angebot machen können. Wir haben ja das gleiche Interesse." Momentan gehe der Trend zu mehr Originalhörspielen, also Stoffen, die extra fürs Medium geschrieben und arrangiert sind, und da, so Brandl, "haben wir gemerkt, dass es auf diesem Gebiet ganz spannende freie Produktionen gibt, auch in technischer Hinsicht."

Es bleibt offen, inwiefern sich der professionelle und semiprofessionelle Bereich des Hörspielmachens in Zukunft weiter verschränken werden. Übrigens antwortet die "Märchen-Tante" in Fleschs "Zauberei auf dem Sender" dem verdutzten Redakteur auf seine Weigerung, das Programm zu ändern nur lapidar: "Ja, wieso denn nicht?"

taz vom 21.11.2006, S. 17, 325 Z. (Kommentar), KERSTIN FRITZSCHE

Wenn Ihr mehr, mehr, mehr, mehr, mehr wollt, solltet Ihr hier mal reinschauen.

Literatur to go

Die Großverlage überlegen gerade, wie sie Web 2.0 mit seinen vielen Formaten und Nutzungsmöglichkeiten am besten für sich erobern können. Zu spät: Die Literaten/innen tummeln sich bereits zahlreich in Foren und Blogs. Der neueste Clou: Literatur-Podcasts zum kostenlosen Download für alle.


Ganzen Artikel von mir lesen auf fluter.de über Literatur-Podcasts, und zwar von Christian Heinke und Tim Cortinovis. Auch veröffentlicht im Informationsangebot des Goethe-Instituts.

Auch gut:
die nicht existentielle, aber doch existierende (und zwar schon vor Web 2.0) Netzliteratur

Hildesheim--->München

ca. 16 Umzugskartons (14 à 65 l, 2 größer)
ein Stuhl ohne Armlehnen
ein Korbsessel mit Armlehnen
ein Schreibtisch (Platte abnehmbar, nicht länger als 1,60 m)
ein Fernseher
ein Fernsehtisch, Seitenlängen nicht über 1 m
drei Bücherregale, zerlegbar
eine Kommode
eine Teekiste
eine Stereoanlage
ein Fahrrad
zwei große Pflanzen über 1,50 m und eine kleine
Kleinkram und Elektronik wie Drucker, Scanner, Posterrollen, kleines Kofferradio, Bilder (nicht über 1 m), 5 Din A 4-Zeitschriftensammelboxen, 6 Din A 4-Ordner, ein kleiner Karton mit CDs (Umfang ca. 20 l)
Bettzeug plus 3 Kissen
Wäschebehälter (nicht höher als 0,80 m)
ein Wäschekorb mit zerbrechlichen Küchensachen
ein Deckenfluter

Gastspiel

Sie kommt an und ist erstmal erschlagen. Dies ist nicht die Stadt, um einsam zu sein, und doch hat sie das Gefühl, in der Anonymität untergehen zu müssen.
Bahnhof Zoo, nichts ist hier mehr so, wie Christiane F. es in ihrem Buch beschrieben hat. Rein in die U-Bahn, aber von Ausatmen kann nicht die Rede sein. „Das wär‘ dem Joschka Fischer nicht passiert!“ hört sie eine Frau mit fetter Einkaufstasche und Dutt sagen. Sie verrenkt sich den Kopf, um am Fahrplan an der Decke ihre Station aus-findig zu machen. Heimat für eine Woche, geistige Heimat für vielleicht länger.
Der ganze Potsdamer Platz ist eine riesengroße Baustelle, geh‘ da ja nicht hin, wur-de sie gewarnt. Natürlich geht sie hin. Schaut sich die ganzen Amis und Schulklas-sen an, die in den Infoturm rennen und sich die Architekturmodelle ansehen. Fühlt sich befremdet, kann noch nicht mal mit einer Menschenseele reden. „Sorry, are you using this computer?“ wird sie gefragt und bemerkt, daß sie genau vor dem Internet-Terminal von Siemens steht. Nein, sie weiß niemanden, dem sie jetzt eine E-Mail schicken möchte. Hallo, schöne Grüße von Heimatlos in Berlin vielleicht? Nein. Sie geht wieder.
Am Hamburger Bahnhof leuchten die Neonröhren von Flavin. Gerne würde sie die mal nach Kreuzberg verfrachten, weil da seit den Studentenrevolten nichts mehr los ist. „Man sollte lieber alte, zerbrochene Gebäude beleuchten“, sagt sie zu dem Ange-stellten hinter der Kasse, doch der reagiert darauf nicht, sondern will immer noch den Eintrittspreis von sechs Mark haben. Sie geht also rein. Sieht sich Pippilotti Rist an. Groteske Bilder und apokalyptische Musik inszenieren die Wirklichkeit. Vielleicht ist auch die Inszenierung Wirklichkeit und ihre Gedanken der Film, wer weiß das schon so genau?

Filmriß. Die Realität hat ihren Wirklichkeitsanspruch verwirkt. Wieder in der U-Bahn, hört sie zwei Professoren über eine kombinatorische Megamaschine diskutieren. „Die Befreiung der Buchstaben ist eine idealistische Werbemetapher!“ sagt der eine und erzürnt damit den anderen. Sie versteht nichts, nichts von dieser Stadt, und weiß, als sie aussteigt nicht, warum sie sich dem Objekt assoziativ verhalten soll.
Objekt Erlebnis. Berlin besteht aus lauter kleinen Gesprächen, so scheint ihr, die man mit den unterschiedlichsten Leuten an den unterschiedlichsten Orten führen kann. Am zweiten Tag hat sie schon ein Stück Großstadtidentität erlangt. Stadtteil-Gesprächsfetzen formen die anfängliche Sinnlosigkeit durchaus logisch zu einer Hauptstadt-Therapie, der sie leider ins Netz gegangen ist. Sie weiß es, kann sich aber nicht wehren. Egal, denkt sie, Hauptsache, es macht das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen verschwinden. Für das viele Grün in dieser Stadt hat sie kein Auge. Wenn sie jemand anlächelt, was auch nur aus Versehen passieren kann, lä-chelt sie nicht zurück. Sie hat Angst, den heiligen Rhythmus zu durchbrechen: U-Bahn-fahren, aussteigen, ein Stück laufen, suchen, nicht finden, essen, wieder U-Bahn-fahren, aussteigen, schlafen, essen, U-Bahn-fahren, suchen, nicht finden,...
Sie merkt, wie sie auch langsam sich selber verliert. Diese Stadt ist so groß, daß man nichts dagegen hat, wenn einem der Drang nach Individualität entgleitet. Man rutscht wirklich leicht in die Anonymität. Das hätte sie vor einer Woche noch nicht geglaubt.
Am dritten Tag findet sie die Gespräche in der U-Bahn nicht mehr interessant. Schweigen ist manchmal besser als tausend Worte. Aber kann man denn in einer Großstadt den Menschen finden, mit dem man zusammen schweigen kann? Sie be-zweifelt es.
Ständig hat sie das Gefühl, etwas zu verpassen in diesem überdimensionalen Be-tonpfeiler. Tagsüber auf den Straßen ist es besonders schlimm. Da ist sie mit ihren Gedanken alleine. Die Therapie wirkt. Die Maschine Mensch weigert sich aber, lü-ckenlos zu funktionieren.

Die „Volksbühne“ im Tacheles hat nichts mit der Schlingensief-Volksbühne zu tun. Das Gartenlokal im Innenhof, oder was davon übrig ist, erscheint ihr weniger einla-dend. Bunte Eiseskälte. Wo sind die festen Bilder in ihrem Kopf, die sie vorher von all diesen Plätzen hatte? Sie zieht die Postkarte mit dem Tacheles-Bild aus der Tasche, aber auch darauf sind die Graffiti jetzt verblaßt. Erinnerung verblaßt eben, denkt sie, jetzt bloß nicht sentimental werden. Es ist der vierte Tag und sie hat immer noch niemand kennengelernt, der ihr wirklich gefällt. Noch nicht mal sich selbst.

„Heute habe ich mich aus der Natur gesprengt“, dieser Textfetzen eines deutschen Diskursrocksongs fällt ihr ein, als sie das Spargel-Mädchen mitten im Baugebiet am Bahnhof Friedrichstraße sitzen sieht. Gut betuchte und vor allem gut geschminkte ältere Frauen tragen Edeltüten mit echter Kordel und vielsagenden Aufschriften an ihr vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Das Anpreisen hat das Mädchen schon längst gelassen, als sie merkte, daß es einfach lächerlich ist.
Rund um die Baustelle befindet sich schon die ganze Auflage der „Morgenpost“ im Rinnstein. Wer braucht schon gebrauchte Nachrichten? Sie gebraucht lieber brauch-bare Nachrichten und geht daher weiter. Sie möchte keine Gefangene dieser Stadt sein. Als am Potsdamer Platz die Flutlichtanlage eingeschaltet wird und die Schicht wechselt, weiß sie, daß dieser Tag endlich um ist.

Am sechsten Tag kann sie sich nicht mehr daran erinnern, wie man das Wort „Be-geisterung“ buchstabiert. Hätte man ihr vorher gesagt, daß das eigentliche, immer wiederkehrende Motiv des Berliner Alltags das U-Bahn-Fahren ist, so wäre sie nicht gekommen. Ein ständig gleichbleibendes Rattern und das „Pffffft!“ der sich selbsttätig schließenden Türen wäre genauso gut gleichzusetzen gewesen mit dem gleichmäßi-gen Schnarchen ihres schlafenden Opas, der alle fünf Minuten aufgeschreckt Luft holt. Daran denkt sie, als sie wiedermal in der U2 Richtung Ruhleben sitzt. Ihr Blick fällt auf das junge Pärchen gegenüber. Wie zärtlich sie noch miteinander umgehen. Wie lange wohl noch? Vielleicht schaffen sie es aber auch zusammen, trotz der Großstadt. Er hält sie ganz fest in den Armen. Wahrscheinlich hat er Angst. Sie sieht aus, als hätte sie schon zwei Beziehungen hinter sich sowie eine beste Freundin, die in sie verliebt war.
Ihre Gedanken führen sie zurück zu ihrem Opa. Sie stellt sich vor, wie er mit überdi-mensionalen Lippen beim Luftschnappen gleich den Bahntüren die täglichen Tau-send verschlingt, die durch sie hindurch müssen, um sich zur Arbeit, zur großen Lie-be, in die Gedankenlosigkeit oder einfach nirgendwohin bringen zu lassen. Und plötzlich muß sie lachen. Laut lachen, was man in der U-Bahn besser vermeiden soll-te, das hat sie schon gelernt in den fünf Tagen Berlin. Und als sich alle Leute nach ihr umdrehen und das Pärchen in seiner Ecke sie mit großen Augen entsetzt ansieht, da weiß sie, daß sie sich selbst gefunden hat. Ich hoffe, ich habe Post, wenn ich nach Hause komme, denkt sie. Nach Hause kommen, das kann man in Berlin lernen.


Mai 1998

Sehr geehrter Herr Dr. Gruber...

... ich bin sehr froh, dass sich die Rundfunkgebühr für den internetfähigen PC ab 2007 durchgesetzt hat.
Wie überhaupt die Rundfunkgebühr eine ganz prima Sache ist. Ich zahle die sehr gerne, weil
ich es natürlich begrüße, dass man sich erstmal nicht leichtfertig von jemandem wie Hagen Boßdorf trennt, wenn da kleinere Verfehlungen bekannt werden.
ich ein sehr großer Fan von Florian Silbereisen bin und keine seiner Sendungen verpasse, schließlich ist er fast genauso alt wie ich und ich damit in seiner Zielgruppe, wenn ich das Senderkonzept und die Programmstrukturen an dieser Stelle richtig verstanden habe.
ich es auch für völlig richtig halte, Exklusivverträge mit einem Sport-Ausnahmetalent wie Jan Ullrich zu machen, weil einem sonst die Privaten ja alles wegschnappen würden.
ich auch sehe bzw. höre, dass Ihr BR-Zündfunk auf gar keinen Fall so weit ist, als eigenständige Jugendwelle im digitalen Radio ausgebaut werden zu können.smashTV
ich es auch sehr rühmlich und mutig finde, dass die ARD im Gegensatz zu anderen öffentlichen Institutionen eine Frau in der Führungsebene hat, sich aber sonst vor allem altersdurchschnittsmäßig an die öffentliche Verwaltung in Deutschland anpasst. Man muss ja nicht gleich übertreiben.
ich als Christin nichts dagegen habe, ach, was sage ich, ich es für unerlässlich halte, den Papstbesuch mit über 60 Stunden kritischer Live-Berichterstattung angemessen zu behandeln.
ich mir ziemlich verrucht und kriminell vorkomme, wenn einmal im Jahr die Jungs Ihrer Subfirma GEZ vor der Tür stehen und in bester Schimanski-Manier meine Verkabelungen und Zeitschriften-Abonnements überprüfen wollen. Da kommt richtiges Bronx-Feeling auf!
ich Ihren GEZ-Werbespot „Ich seh’ schwarz – Ich weiß“ sowohl rhetorisch als auch optisch so ziemlich das Beste finde, was in den letzten Jahren zum Thema Toleranz und Integration veröffentlicht worden ist.
weil ich, wenn es bei Ihnen wie in allen ARD-Anstalten nun immer enger wird, dann wenigstens bei „ScheinBerlin“ arbeiten kann, die als einzige von dem Marienhof-Schleichwerbeskandal zu profitiert haben scheint.


Sie werden sicher verstehen, dass ich das hier jetzt blogge, weil…. na, nächstes Jahr kann ich mir das als Freiberuflerin nicht mehr leisten.

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